Ulrich ZanderDipl.-Ing.(FH) für EDV-AnlagenFernsehempfang im Tal der Ahnungslosen(siehe auch: UKW-Rundfunkempfang im Tal der Ahnungslosen undNachbau eines Tonbandgerätes der Spitzenklasse - REVOX A700) 1. Einleitung Wer auf diese Bezeichnung "Tal der Ahnungslosen" für die mit einer halben Million Einwohner im Elbtal gelegene Stadt gekommen ist, weiß ich nicht, aber es trifft zu. Als gebürtiger Luckauer (Land-Brandenburg, ca. 80 km südlich von Berlin, siehe Fußnote) mit guten Westempfangsmöglichkeiten, durch das Studium an der TU nach Dresden verschlagen, bemerkte ich schon bald die kritiklosere Einstellung vieler Menschen gegenüber den Aktionen der SED. Es war eben die "erste sozialistische Großstadt der DDR", in der die Genossen experimentieren konnten. Dabei brachte auch der Empfang von Hörfunksendern auf Mittelwelle nur wenig Änderung. Andererseits waren die Meinungen über "den Westen" etwas verklärt, da durch den fehlenden Westempfang die Möglichkeit fehlte, sich ein eigenes Bild über die Verhältnisse im Westen machen zu können. Das führte später paradoxerweise zu einer Häufung von Ausreiseanträgen, Eingaben und allgemeiner Unzufriedenheit. Im folgenden Beitrag will ich die empfangstechnischen Gegebenheiten erklären, aber auch technische Lösungen zum Empfang von UKW-Rundfunk und Fernsehen im Tal der Ahnungslosen vorlegen. Wohlbemerkt, der Empfang war trotzdem nur in den höheren Hanglagen befriedigend möglich. Im Tal selbst war man auf gelegentliche Überreichweiten, meist im Oktober oder Februar, angewiesen! 2. Die Gegebenheiten Obwohl Dresden durch seine Lage im Elbtal vom Empfang der westdeutschen Fernsehsender nahezu ausgeschlossen war, gab es doch eine Möglichkeit das ZDF in guter Qualität zu empfangen. Dessen Empfangsfeldstärke war trotz höherer Frequenz (567,25 MHz, Kanal 33) und demzufolge eigentlich schlechterer Ausbreitung in der Regel höher und vor allem stabiler als die der ARD (189,25 MHz, Kanal 7). Hindernis für den normalen Bürger war, daß zufällig (!) auf der gleichen Frequenz von 567,25 MHz im Tschechischen ein Sender der CSSR - Buková Hora (Buchberg), 12 km südlich von Decín und 15 km östlich von Ústí n.L. - sein Programm ausstrahlte, im Folgenden als "Störsender" bezeichnet. Im Dresdner Raum war dadurch ein Empfang des ZDFs so gut wie überhaupt nicht möglich, da das Nutzsignal (ZDF) vom relativ starken "Störsender" in der CSSR fast völlig verdeckt wurde (Gleichkanalstörungen). Während nach Sendeschluß der Rest der CSSR ein CST-Testbild mit Radioton empfing, wurde Usti wenige Sekunden später komplett ausgeschaltet. DANKE! Aber die interessierenden Sendungen kamen nicht nur spät abends... Wie mir jetzt bekannt wurde, wurde das Testbild in der gesamten CSSR nach Sendeschluß abgeschaltet. Trotzdem danke. 2.1. Erste Versuche Findige Köpfe versuchten mit Hilfe zweier Antennen den "Störsender" auszublenden (Bild 1). Der störende Sender fiel aus ca. 90° zur Empfangsrichtung des Nutzsenders ein. Antennen haben an dieser Stelle ein ausgeprägtes Minimum in der Richtcharakteristik. Darum versuchte man über eine Mischung beider HF-Signale den Störer auszublenden. Dazu wurden die Signale beider Antennen über eine komplizierte Weiche zusammengeführt (und das bei fast 600 MHz). Jede Änderung in der Umgebung der Antennen hatte eine Veränderung der Amplitude und vor allem der Phasenlage des Störsignals zur Folge, so daß an einem Fernsehabend mehrere Male die Antenne auf dem Dachboden um wenige Zentimeter verschoben werden mußte, um die gewünschte kompensierend wirkende Phasenlage wiederherzustellen. Dieses Prinzip war im Ansatz recht brauchbar, aber sehr unpraktikabel, außerdem erzeugten verbliebene Restsignale immer noch erhebliche Störungen.
Aus diesem Grunde kam ich zu der Überzeugung, daß nur eine elektronische Lösung für die Kompensation des Störsignals in Frage kam. Eine Kompensation auf Ebene der UHF-Signale kam wegen der schwer zu beschaffenden UHF-Bauteile (alle aktiven und für den Fernsehempfang verwendbaren Bauelemente durften nicht aus der "BRD" eingeführt werden) nicht in Frage und ist außerdem technisch schwieriger zu realisieren, als eine Lösung in niederen Frequenzbereichen. 3. Die Lösung Beide Fernsehsignale waren nahezu identisch. Die Unterschiede bestanden in der verwendeten Farbnorm (PAL bzw. SECAM) und dem unterschiedlichen Tonträgerabstand vom Bildträger wegen der unterschiedlichen Fernsehnorm (CCIR 5,5 MHz bzw. OIRT 6,5 MHz). Letzterer gestattet es aber, eine für jedes Empfangssignal spezifische Größe zu ermitteln. Für jeden Sender wird eine separate Antenne mit anschließendem separaten Empfänger eingesetzt: - ein Empfänger für den CCIR-Nutzsender und - ein Empfänger für den OIRT-Störsender. Am Ausgang der Empfänger stehen die Videosignale zur Verfügung. Das Videosignal des Störers muß nun mit entsprechender Amplitude und gegenphasig dem vom Nutzempfänger kommenden Signal zugemischt werden, um den Störanteil verschwinden zu lassen (Bild 2). Bild 2 Die Signalanteile des Störsenders im Signalgemisch des Nutzempfängers (Antenne 1) und die Signale vom Störempfänger (Antenne 2) sind sowohl durch die unterschiedliche Lage der Antennen als auch durch unterschiedliche Laufzeiten in den Empfängern nicht genau gleich- oder gegenphasig, müssen also - da sich auch kurzzeitig durch äußere Einflüsse sowohl die Amplitude als auch die Phasenlage ändern kann - ständig in der Phase und Amplitude korrigiert und dem Nutzsignal so zugeführt werden, daß eine möglichst vollständige Kompensation des Störsignales auftritt. Das ist das angestrebte Ziel der ganzen Anordnung. Am Ausgang des Nutzempfängers (1) werden Bild- und Tonkanal getrennt. Zusätzlich wird noch ein zweiter Tonkanal (wie bei Mehrnormempfängern üblich) eingefügt, der auf die Ton-ZF des Störsenders (2) abgestimmt ist. Die gleichgerichtete Trägerspannung von (2) wird als Istwert für die Regelung verwendet. Der Sollwert ist Null, da eigentlich kein fremder Tonträger und damit auch kein fremder Bildträger im Nutzsignalgemisch enthalten sein soll. Ein Komparator vergleicht die Richtspannung mit Null und steuert einen regelbaren Teiler, der ein vom Störempfänger (2) geliefertes gegenphasiges Signal so einkoppelt, daß die Richtspannung (Istwert) und damit das gesamte Störsignal zu Null wird! Das Empfangssignal des Nutzsenders (1) wird gering gemindert, da auch von der Störsenderempfangsantenne (2) noch Anteile des Nutzsenders aufgenommen werden. Das Gesamtverhältnis von Nutzsignal/Störsignal wird um das Verhältnis Störsignal/Nutzsignal der Störempfangsantenne verbessert. Begünstigend wirkt hier der Umstand, daß Stör- und Nutzsignal aus fast um 90° versetzten Richtungen einfallen, wo die eingesetzten YAGI-Antennen in der Empfangscharakteristik in der Regel eine Nullstelle haben. Von der Hardware ist nur noch das Fragment des Versuchsaufbaus eines ZF-Verstärkers mit Tonsignaltrennung vorhanden. 4. Die Meßtechnik Für den Bau und Abgleich des Bild-ZF-Verstärker wurde ein Breitbandwobbelmeßplatz "BWS1" genutzt. Damit wurden auch der Tuner und der 14-Kreis-ZF-Verstärker für den UKW-Rundfunkempfang abgeglichen und an die örtlichen Bedingungen (4 UKW-Ortssender mit bis zu 1Vss Antenneneingangsspannung) angepaßt. Dieser Wobbelmeßplatz überstreicht in sechs Bereichen einen Frequenzbereich von 0,5-800 MHz, hat einen eingebauten Abschwächer und neben einem 50-Ohm-Eingang auch zwei Tastköpfe. Speziell für Messungen am UKW-Tuner nutzte ich einen französischen 1-GHz-Sampling-Oszillografen "OCT 1202" mit sehr hochohmigem Nuvistor-Tastkopf, mit dem Messungen direkt an den Schwingkreisen des UKW-Tuners möglich waren. Ein weiteres Meßmittel war ein AM-FM-Prüfsender vom Typ "2039a". Diesen Meßsender habe ich auch für Messungen am UKW-Tuner und dem ZF-Verstärker benutzt. Foto: "radioreinhard" 5. Weitere TV-Empfangstechnik Für den Empfang des Westfernsehens waren besonders leistungsfähige Antennenverstärker und Konverter für die Kanäle 7 und 33 erforderlich. Die folgenden Bilder zeigen einige dieser erhalten gebliebenen Technik. Auf die Verwendung von Kernen (Aluminium, Messing, Ferrit) wurde weitestgehend verzichtet, da diese dämpfend wirken und die Selektivität verschlechtern. 6. Historisches und Zukünftiges Zu DDR-Zeiten gab es zunächst Herausforderungen beim Antennenbau, meist unter Dach, um die Antennen vor "marodierenden" FDJlern vor der Demontage zu schützen. Ab Juli 1962 trat dann der Bau von UHF-Konvertern in den Vordergrund. Zunächst wurden mit Röhren bestückte (EC92/EC86), später transistorisierte Umsetzer (AF139/AF239) gebaut. Im Jahre 1963 wurde ein Erstversuch des Aufbaus eines Röhrenkonverters nach Anleitung aus der Funktechnik mangels geeigneter Meßtechnik aufgegeben. Eigene Berechnungen nach dem Buch "Hohl- und Streifenleiter" von Walter Janssen führten auch nicht weiter. Anhand eines Fotos eines geöffneten Umsetzers in der Funktechnik, wurden die Abmessungen ermittelt und ein Muster aufgebaut. Als Größenvergleich dienten die Abmessungen der abgebildeten EC86. Das Muster konnte erst nach 1965 in Betrieb genommen werden, als mir bei Robotron ein Breitbandwobbler zur Verfügung stand.
Im Bild des geöffneten Tuners sieht man sehr schön die galvanisch versilberten Kugelschreiberminen, Stand 2017! Die dichte Abdeckung des Tuners mit einem Alublech, Schaumgummi und Kupferfolie macht es möglich. Auf dem Dachboden liegt noch eine der jetzt ungenutzten Kanal-7-Antennen (rechts im Vordergrund). Auf dem Blechkasten mit der Drehanlage ist die 3-Elemente-UKW-Antenne befestigt, die jetzt nur nach Norden guckt. Die beiden anderen Antennen sind für DVBT, die Satellitenanlage für ASTRA und Hot Bird ist außerhalb. DVBT2 wird es hier nicht mehr geben... 7. Nachsatz Mit heutiger digitaler Fernsehnorm (DVBT) wäre ein Fernsehempfang 100% unmöglich gewesen! In der Zeitschrift "Elektor", Heft 6/1998 wird auf Seite 22 ebenfalls von der Möglichkeit der Ausblendung von Gleichkanalstörungen mit Hilfe zweier Antennen berichtet. Die dort erreichten Ergebnisse sind von mir so nicht nachvollziehbar. Möglicherweise liegt das auch an den erheblich schlechteren Empfangssignalen am Dresdner Stadtrand: sehr schwacher Nutzsender und relativ starker Störsender. ________ Luckau war bis 1945 Hauptstadt der Brandenburgischen Niederlausitz, in der DDR Kreisstadt, nach 1990 nur noch NICHTS! (Dank der Wessi-Gebietsreform oder des "Neozentralismus in der BRD") Auf der nächsten Seite: UKW-Rundfunkempfang im Tal der Ahnungslosen. |